Unsere Sommerfahrt führte uns in diesem Jahr auf die Hallig Hooge. Wir Pfadfinder versuchen ja immer etwas neues zu entdecken, und uns immer auf ein kleines Abendteuer zu begeben. Diesmal haben wir uns zwar gegen das eine Fahrt ins Ausland aber trotzdem für einen Flecken mit einer gewissen Abgeschiedenheit entschieden. Unsere Sommerfahrt führte uns auf Hallig Hooge und das führt uns wiederum zur Überschrift dieses Artikels; ich möchte an dieser Stelle noch nicht lösen.
Freitags um 7:30 Uhr ging es los: Für manch einen zu einer zu frühen Stunde begaben wir uns auf den problemlosen Hinweg. Marburg – Hamburg – Bredstedt – Schlüttsiel – Hooge. Vier mal Umsteigen, immer mit kleinen Pausen und gegen 18:00 Uhr waren wir dann da. Heikos Eltern hatten einen Anhänger mit allem Material mit dem Auto zum Fähranleger gebracht und unser Platzwart brachte ihn auf der Hallig dann bis zu unserem Zeltplatz. An dieser Stelle vielen Dank an Familie Schmelz, die ihren Sommerurlaub extra passend gelegt hat und auch an Henryk Schäfer, der uns den Anhänger seines Unternehmens zur Verfügung gestellt hat. Auf Hogge selbst war erstmal das Wetter auffällig, als Mittelhessischer Pfadfinder ist man Mittelgebirge gewöhnt und kein flaches Land mitten in der Nordsee (Was ist noch mal eine Hallig?). Bei der Platzeinweisung wurde uns dann jedenfalls eröffnet, dass es heute Nacht zu relativ hohen Windgeschwindigkeiten käme und wir doch zur Not in den Schutzraum gehen könnten. Wir entschlossen uns, die Zelte erst einmal aufzubauen; die Evakuierung von 22 Personen geht ja doch bedeutend schneller als die von 4000, wie auf dem Bundeslager.
Es kam, wie es kommen musste: In der Nacht erlebten wir dann relativ heftigen Wind und bald einsetzenden Regen. Die App des Deutschen Wetterdienstes leistete gute Dienste in der Kurzzeitprognose, worauf hin wir uns entschieden für eine Stunde in den Schutzraum zu gehen, denn dann sollte das gröbste vorbei gewesen sein. Alle Zelte hielten, das Unwetter zog vorüber, nur das Schlafdefizit schleppten noch einige ein paar Tage mit sich herum.
Am nächsten Tag lernten wir alle das Lummerlandlied kennen, das schon in der Augsburger Puppenkiste das Märchen von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer ankündigte, denn diese beiden Helden begleiteten uns während der Zeit auf Hallig Hooge. Nach dem Frühstück beseitigten wir die Unordnung der letzten Nacht und warteten den Regen am. Und nach dem Mittag machten wir uns auf den halbstündigen Weg zur Schutzstation Wattenmeer, an deren Programm wir insgesamt vier mal teilnahmen. Bei der Halligführung wurde in einem Rundgang über die Geschichte und die einzelnen Warften der Hallig erzählt. Das gab uns allen einen Überblick, sodass wir uns schnell selbst zurechtfanden.
Der Sonntag begann nach dem Frühstück mit einer Andacht. Jim Knopf wird in einem falsch adressierten Packet nach Lummerland geliefert, die Bewohner nehmen ihn auf, sorgen für ihn und beschaffen ihm sogar einen Ausbildungsplatz im Laden von Frau Waas. In unserer Gesellschaft scheint das leider gerade nicht selbstverständlich zu sein, so hört man gelegentlich Deutschland sei voll. Auf Lummerland tritt genau dieser Fall auch ein: Als Jim Knopf größer ist ist die Insel voll und jemand muss sie verlassen. Der König will jedoch nicht „den Ausländer“ rauswerfen, sondern denk viel eher daran, das Transportwesen, den einzigen Industriesektor der Insel abzuschaffen: Emma, die Lokomotive. Lukas und Jim kommen dem zuvor und verlassen zusammen mit Emma die Insel um noch viele andere Kulturen kennen zu lernen, stets freundlich und meistens freundlich empfangen.
Die mittägliche Lesestunde brachte Jim und Lukas nach Mandala, einem fiktionalen asiatisch anmutenden Land. Wir bastelten verschiedene Arten von Lampions um unsere Jurte an den Ort der Geschichte anzugleichen und mancher versuchte zum ersten mal das Jonglieren. Highlight dieses windigen Tages war natürlich auch das Drachen steigen lassen – wenn sich auch nicht selbst gebastelt waren.
Montags ging es wieder auf zur Schutzstation, in der wir diesmal einiges über die im Wattenmeer und auf den Halligen vorkommenden Tieren lernen konnten. Jim und Lukas mussten sich gegen die fiesen Oberbonzen durchsetzen um zum Kaiser zu gelangen – so erging es auch uns, wir stellten uns dem Pompfenkampf, bevor wir den Tag mit einem schönen Tschaiabend beenden konnten.
Jim und Lukas verließen Mandala und machten sich auf dem Weg in die Drachenstadt, denn sie wollten die Tochter des Kaisers retten. Auf dem Weg durch das Tal der Dämmerung ging ihre Lokomotive kaputt, die sie in der Wüste reparieren mussten. In einem Postenlauf rund um die Hallig suchten wir die Teile für die Lokomotive, die es in verschiedene Stationen zu erspielen gab. Nach dreieinhalb kalten und nassen Stunden war dann auch die letzte Gruppe zurück am Zeltplatz, auf dem wir dann erst einmal einen warmen Tee kochten.
Am Mittwoch stand wieder Programm von der Schutzstation auf dem Plan: eine Wattwanderung zur Vogelhallig Norderoog. Von April bis Oktober lebt hier ein Vogelwart, der sich der Beobachtung und dem Schutz seltener Vögel widmet. Er war nicht ganz allein, auf der Hallig http://jordsand.jimdo.com/vor-ort/hallig-norderoog/ sind ehrenamtliche Helfer, die die Uferschutzbefestigungen erneuern und erweitern. Der Vogelwart berichtete uns trotzdem in seiner charismatischen Art über das Einsiedlerleben und seine Aufgaben. Nach einem bleibenden Eindruck und dem Heimweg konnte jeder machen was er mochte – die meisten spielten ganz verschiedene Karten- und Gesellschaftsspiele in der Jurte.
Am Mittwoch Abend hatte sich das Wetter verbessert und wir beschlossen etwas später aufzustehen – hier legte sich dann auch das Schlafdefizit zum ersten mal. Zur Mittagszeit waren wir noch einmal in der Schutzstation, diesmal zum Bernsteinschleifen. Jeder bekam einen Bernstein und machte sich mit Schleifpapier und Zahnpasta-Politur einen Kette daraus. Jim, Lukas und Emma waren mittlerweile in der Drachenstadt angekommen und so wollten auch wir etwas drachiges erschaffen. Wir versuchten uns an Drachenmasken, die aber wegen der Feuchtigkeit auf Hooge nicht recht gelingen wollten. Besser klappte es da mit den Drachenstadt Spielplatten – das ist eine Art Werwolf, nur eben in der Drachenstadt. Außerdem bemalten wir die Knöpfe, die wir drei Tage zuvor aus einer formbaren Keramik hergestellt hatten – Sie können dann zuhause als eine Art Badge auf die Kluft genäht werden.
Am Freitag Morgen konnten wir auch Dank des großartigen Sommerwetters den Brunch samt von den Gruppenleitern inszeniertem Frühstücksfernsehn sehr geniesen! Bei „Matzes morgendlichen Mahlzeiten“ wurde ein Rührei bereitet, Klaus von Klaus und Klaus hatte seinen großes Comeback und wir erfuhren den neusten Tratsch von der Hallig. So soll vor gerade einmal 150 Jahren der König auf der Hallig genächtigt haben! Nachmittags gab es dann die letzte Aktion mit der Schutzstation: eine Meereskundliche Fangfahrt. Ein Schleppnetz wurde für 15 Minuten über den Meeresgrund gezogen und uns wurden verschiedene Tiere gezeigt. Der zweite Fang wurde mit an Land genommen und zu Statistischen Zwecken gezählt.
Samstags bereitete jedes Zelt und auch einige musische AGs ihre Beiträge für den Abschlussabend vor. Natürlich blieb die Freizeit nicht auf der Strecke es war genügend Zeit da um in der Nordsee zu baden – wenn denn grade mal Flut war!
Das fulminante Abschlussabend bot Einblick in den Alltag eins Königs und seine aufgeregte Art; Klaus von Klaus und Klaus trat noch einmal auf; Der Internet-Klassiker „Alles wird aus Hack gemacht“ wurde live präsentiert und in einem Quiz wurden noch einmal die wichtigsten Fakten zur Hallig Hooge abgefragt.
Am Sonntag blieb nur das Zusammenpacken, der Abbau, ein letzter Nordseebadegang und eine kleine Mutprobe. Heiko und Freddy gingen vor und markierten einen Weg mit Knicklichtern. Immer zwei Personen wurden in einem gewissen Abstand losgeschickt, um den Lichtern zu folgen, möglichst ohne ihre Lampen zu benutzen. Am Ende der Hallig angekommen wurden wir Teil einer Andacht. Heiko berichtete uns über den Mut der beiden Lokomotivführer, sich auf eine so lange Reise zu begeben und Kinder aus einer Drachenstadt zu befreien. Und auch wir Pfadfinder scheinen immer wieder Mut zu beweisen: Ob auf dem Weg vom Zeltplatz zu diesem Ort, die 10-tägige Abwesenheit von Zuhause oder als Betreuer für so viele Kinder. Verglichen mit den beiden Helden der Geschichte haben wir nicht viel Mut bewiesen, bei uns gab es doch meistens ein Netz und einen doppelten Boden – falls doch mal etwas schief gehen sollte. Wie misst man eigentlich Mut – wer sagt was mutig ist? Wir glauben Mut ist das überschreiten einer persönlichen Grenze, die man nur selbst festlegen kann.
Emily und Tom bekamen ihr Jungpfadfinderhalstuch verliehen, für den Mut, den sie auf diesem Lager bewiesen hatten und als Zeichen, dass sie ein Teil unserer Gemeinschaft geworden sind. Die Nacht zum Montag verbrachten wir übrigens unter freiem Himmel – das braucht auch einiges an Mut.
Dir Rückfahrt nach Marburg stellt uns noch einmal vor eine Herausforderung. Aufgrund der ungünstigen Kombination von Fähre und Zugverbindung mussten wir 6 Stunden in Bredstedt verbringen, dank der vielen neu kennengelernten Kartenspiele war das aber kein Problem. Von dort nach Hamburg und weiter nach Kassel. Der ICE hatte leider 50 Minuten Verspätung, was dazu führte, dass wir unseren Anschlusszug verpassten. Die Bahn verwies uns auf einen Bummelzug nach Treysa, von dort aus konnten wir mit dem Taxi weiter nach Marburg. Anderthalb Stunden nach dem angekündigten Termin waren wir dann dort endlich angekommen und alle freuten sich wieder zu Hause zu sein.
Ein Lager auf der Hallig Hooge ist etwas ganz besonderes: Ein Abenteuer, das Mut erfordert, wenn auch mit Netz und doppeltem Boden.
Gut Pfad, Jonas
Mut benötigt es übrigens auch auf einer Hallig zu Leben – Halligen werden nämlich mehrmals im Jahr überspült und nur die Häuser auf den Warften bleiben verschont. Die Wege und unser Zeltplatz sind dann nicht mehr zu sehen!