Der Begriff Integration ist vom lateinischen integratio (Erneuerung) abgeleitet und bedeutet in der Soziologie die Ausbildung einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit einem Einbezug von Menschen, die aus den verschiedensten GrĂŒnden von dieser ausgeschlossen (exkludiert) und teilweise in Sondergemeinschaften zusammengefasst waren.
Wenn dieser Artikel so weitergehen wĂŒrde, dann wĂŒrde selbst der positiv gesinnte Leser spĂ€testens jetzt damit aufhören, weiter zu lesen. Ich könnte es ihm nicht einmal ĂŒbel nehmen. In dieser Gestalt sind wissenschaftliche Texte geschrieben, aber doch keine Artikel in der Zeitung einer Kirchengemeinde.
So soll dieser Artikel auch nicht weitergehen, versprochen. Aber wieso startet er dann so abschreckend? Mein Eindruck ist, dass bei Integration schnell mit groĂer Keule geschwungen wird. Alles wird groĂ und erscheint am Ende vielleicht noch groĂer. Alleine die schieren Zahlen ĂŒberfordern. Eine Million FlĂŒchtlinge. Kein Ende in Sicht! Die Bundesregierung macht irgendwie nichts. Und die Gemeinden? Stehen auch im Regen! Da kann man ja nichts mehr machen. AuĂer vielleicht noch einem Ausrufezeichen mehr!
Dabei, und das wird mir immer wieder klar, fÀngt alles im Kleinen an. Deshalb soll an dieser Stelle auch von einem kleinen Beginn von Integration erzÀhlt werden.
So dachten es sich auch wir Pfadfinder vom ansĂ€ssigen Stamm Martin Luther. Nach einem Treffen einer der beiden FlĂŒchtlingskoordinatorinnen aus Londorf (Frau Schomber) vereinbarten wir ein Treffen mit Omid, einem 18-jĂ€hrigen kurdischen FlĂŒchtlinge. Omid ist in den Containern auf dem Londorfer Festplatz untergebracht, zusammen mit ca. 30 weiteren FlĂŒchtlingen . Viele kommen aus Syrien, manche aus dem Irak. Manche sind mit ihrer Familie hier in Londorf angekommen. Andere alleine. So auch Omid.
Am Sonntag, den 20. MĂ€rz haben wir uns getroffen, zum Sonntagskaffee mit Waffeln und Sahne. Beiden Seiten anzumerken war die anfĂ€ngliche Unsicherheit. Der eine oder andere Blick auf die Uhr. Die Frage âWas sollen wir mit ihm reden?â Es war ein bisschen wie bei einem Date, beide Seiten kannten einander nicht. So haben wir einige Bilder von der Pfadfinderarbeit gezeigt. Denn Pfadfinden, das kannten die FlĂŒchtlinge nicht. Einer fragte mich bei einem Besuch in der FlĂŒchtlingsunterkunft, nachdem ich vom Pfadfinden erzĂ€hlte: âWhat Game do you play?â Da mussten wir also einiges an ErklĂ€rungsarbeit leisten. Auch mussten wir erst einmal miteinander warm werden. Stutzig wurden die Pfadfinder, als Omid uns ein Video eines Deutschrappers zeigte. Die Frage: âWhere do you know him from?â verstand Omid zunĂ€chst nicht. Das machte schon die erste Gemeinsamkeit deutlich: Englisch konnten wir alle â irgendwie â mit HĂ€nden und ErklĂ€rungen â und dem âWie heiĂt das jetzt nochmal auf englisch?â-GefĂŒhl.
SchlieĂlich stellte sich heraus: Omid kennt den Deutschrap aus seiner Heimat. Im Irak wird Kurdo gehört! Das ist ein Deutschrapper. Eine Google-Suche spĂ€ter stand fest: Auch Kurdo ist ein FlĂŒchtling und im Alter von 8 Jahren aus den kurdischen Gebieten geflohen. Da war dann das Eis gebrochen und eine Gemeinsamkeit gefunden, ĂŒber die sich alle erst einmal austauschen konnten.
Kurdo ist vielleicht nicht jedermanns Sache ist, können wir doch auf diesem Treffen aufbauen. NÀchstes Mal zeigen wir ihm noch etwas andere Musik. Es wird nicht das letzte Treffen bleiben, das nÀchste Termin zum Grillen wurde schnell gefunden und festgelegt.
Um auf die Einleitung zurĂŒckzukommen: So etwas groĂes wie Integration muss im kleinen anfangen. Wir haben einen kleinen Schritt gemacht. Und wer weiĂ, was sich noch alles entwickelt? Ich nicht. Aber so kann es weiter gehen.
Gut Pfad, Jan