Mitten in der Nacht treffen sich einige schwer bepackte Gestalten in Londorf und beladen Autos. Ihr Ziel: Zehn Tage Blidingsholm, Småland, Schweden. Die Gruppe ist euphorisch, wenn auch nicht ganz frei von Zweifel, ob es denn eine gute Idee war die Gunst der späten Stunde auf Deutschlands Autobahnen zu nutzen. In zwei Busschen und einem Auto mit Anhänger beginnt die Fahrt nordwärts. Marburg, Bad Hersfeld, Fulda, Hettenhausen und Lumdatal sind vertreten, unterwegs sammelte man noch in Hann Münden Katrin ein. War es in den Gefährten zu anfangs noch laut und lebhaft, wurde es doch spätestens nach dem ersten Fahrerwechsel zunehmend stiller und der Schlaf überkam alle, sodass nur ich als Fahrer die eindrucksvolle Szenerie des nächtlichen Hamburger Hafens bestaunen konnte oder zumindest so gut es die Verkehrssicherheit mir erlaubte.
In den frühen Morgenstunden wurde Halt in Flensburg gemacht um zu tanken und das Notwendigste an Lebensmitteln einzukaufen, bevor es über die Grenze via Dänemark nach Schweden gehen sollte, zuvor wieder Fahrerwechsel, damit ich auch mal in den Genuss weniger Stunden unerholsamen Schlafes kommen sollte.
Man hatte sich für den Landweg und Brücken entschieden und wir überquerten die gewaltigen Bauwerke, welche uns über die See bringen sollten mit Staunen. Im Nu war man auch schon an den schwedischen Gestaden, wo nach einigen Schwierigkeiten mit der Brückenmaut uns zunächst der Zoll in Empfang nahm, dessen obligatorisches Verhör wir aber souverän meisterten, wobei bei einigen von uns bis dato noch nicht ganz angekommen war, dass unser Zielort Blidingsholm und nicht Blindingsholm heißt, aber weiter im Geschehen. Von Malmö aus waren es nur noch wenige Stunden bis zu unserem Bestimmungsort – „Sind wir bald da?“
Vierzehn Stunden Fahrt. Eigentlich mit zwei Fahrern leicht zu bewältigen, aber die Nacht hatte doch einigen Verschleiß am Menschen gezeigt. Aber egal, nach kurzer Verwirrung was die Platzzuteilung anging, vollzog sich auch schon direkt der Aufbau. Außerhalb eines alten Hofgutes, umgeben von Bäumen, quasi im Wald, direkt am See und anderen deutschen Pfadfindern in der Nachbarschaft, richteten wir uns auf die kommenden Tage ein; Kanufahren, Angeln, Elche, Kalmar und ja, auch Ikea, der weltweit erste, in Älmhult, sollten uns begeistern.
Das Wetter sollte meist etwas unbeständig werden, die ein oder andere nasse Kohte blieb da leider nicht aus, aber es war gut genug um fast alle unsere Vorhaben umzusetzen, wie auch den kleinen Kanuhajk über den See Åsnen zu einem alten Bauernhof, wo man in einer Scheune übernachtete. Und nein, niemand fiel ins Wasser… zumindest nicht gänzlich.
Apropos Wasser. Das Angeln war ja schon lange im Voraus geradezu fiebrig von vielen erwartet worden. Tagelang probierten unsere jungen Experten alle Techniken und Tricks der Fischerei, aber ohne Erfolg, bis schließlich Heiko, mit nichts weiter als einem Stock, Haken, etwas Schnur, Korken und Brot gleich zwei mal Petri Heil hatte. Meine waidmännischen Kenntnisse wurden dann noch missbraucht, um die unschöne Arbeit zu verrichten, bevor die Beute später von Jonas über dem Lagerfeuer mit einer Prise Salz zubereitet wurde – Smaklig måltid!
Glasblaswerkstätten, Elche beobachten, Erlebnisbäder, Oldtimer-Schrottplätze, Minigolf… ab und an teilte sich die Gruppe auf, damit man allen Vorhaben, jedem wie es beliebte, nachkommen konnte, sodass gemütliches Verweilen im Lager durchaus angenehm war, statt langweilig, wo am Feuer mit Spielen, Singerunden und anderem die Zeit vertrieben wurde. Von unseren Exkursionen möchte ich den Tagesausflug nach Kalmar hervorheben. Am Meer gelegen, mit schöner, lebhafter Altstadt, Barock Dom, Schloss und trächtig an Geschichte was Skandinavien angeht, Stichwort Kalmarer Union und die Wasa, erkundeten wir zunächst in Kleingruppen die Straßen, bevor man sich später zur gemeinsamen Besichtigung des Schlosses wiedertraf.
Auf das Essen möchte ich nicht näher eingehen, Eigenlob stinkt bekanntermaßen, aber Jonas und ich können wohl mit Recht behaupten, dass wir uns sehr gut geschlagen haben. Es wurde sich ja auch Mühe gegeben und man verwöhnte die Truppe mit Porridge und anderen Schmankerl. Natürlich ließ man auch landesübliches mit einfließen, sodass es beispielsweise, wie könnte es auch anders sein, mal Köttbullar – mit Kartoffelbrei und Sauerkraut – gab. Des weiteren wurde die schwedische Eigenart alles mögliche aus Tuben zu konsumieren sehr freudig angenommen: Fischpaste, Krabbenpaste, Krebspaste, Käse, Käse mit Salami-Geschmack, Birne, Speck und vielem, vielem mehr. Mein persönliches kulinarisches Highlight: Chips mit Dill. Also richtige Chips, keine Paste.
Aus Mehrerlei Gründen fuhr man einen Tag früher als ursprünglich geplant wieder nach Hause, diesmal allerdings durch den Tag, statt Nacht, was doch wesentlich angenehmer war, trotz mehrheitlich angeschlagener Gesundheit. In Malmö wurden wir noch Zeuge einer kleinen Natur-Katastrophe, als Teile der Autobahn und einige Straßen überflutet wurden, was zu heillosem Verkehrschaos führte und jedes Gefährt auf sich selbst gestellt durch die überfüllte Stadt kämpfen musste.
Gegen drei Uhr in der Frühe traf man schließlich wieder in Londorf ein. Einige mussten sich schon früher verabschieden, der Rest machte noch etwas Ordnung am folgenden Tage, bevor man sich trennte und die Schwedenfahrt der Region Kurhessen offiziell beendet war.
Ich denke, dass jeder eine sehr schöne Zeit hatte, die flexible Handhabung des Ablaufs relativ gut funktionierte und auch ankam, wie es bei einer Fahrt für Ranger/Rover zu erwarten sei. Ich selbst bin nach gut einem Monat unterwegs auf Grund des kurz zuvor stattgefundenen kräftezehrenden Bundeslagers zwar ganz froh, auch mal wieder unter ’normalen‘ Umständen zu leben, aber werde mich immer wieder gerne an die Zeit in Blidingsholm erinnern.
Gut Pfad, Matthias „Atze“ Müller